Im Windschatten von sechs Großbrauereien entwickelt sich gerade in der stark umkämpften bayerischen Biermetropole eine lebendige Craft Beer Szene. Immer mehr Jungbrauer mischen den traditionellen Markt mit kreativen Spezialitäten auf. Ein Einblick in die Craft-Bierszene an der Isar.

Ist München die Bierhauptstadt der Welt?

Für manch trinkfreudigen Erdenbürger ist München die Bierhauptstadt der WeltDas gilt bislang aber nicht für echte Craft-Guys, denn noch immer dominieren sechs namhafte Großbrauereien nicht nur Oktoberfest und Biergartenszene, sondern auch Kneipen und Wirtshäuser der bayerischen Metropole. Doch wenngleich viele Münchner weiterhin am liebsten schwere Maßkrüge stemmen, wächst im Schatten von Paulaner, Löwenbräu & Co. rasant eine neue Szene mit kreativen Jungbrauern und ganz besonderen Bieren.  

Craft Beer Szene in München

Selbst wenn München im Ranking neuer Braustätten noch hinter Berlin und Hamburg steht, rollt der Craft-Bierzug bereits gewaltig an. Im Monatsrythmus entstehen neue Braustätten und immer mehr Lifestyle-Bars, Biermessen und spannende Brau-Events wachsen – jenseits dümpelnder Bierstuben - zu einer quirligen Szene zusammen. Einer der derzeit angesagtesten Hotspots ist das Bräustüberl des Giesinger BräusSteffen Marx, Chef der Kultstätte, gilt als Vorreiter der Münchner Craft-Bewegung. Der 40-jährige Bayer startete seine Bierkarriere einst in einer Garage. Die Nachfrage zu seinen Spezialitäten wuchs so rasant, dass Marx heute Herrscher eines kleinen Bierreiches mit eigener Brauerei, Restaurant und Braustüberl istInzwischen gilt der Giesinger Bräu als größte Craft-Manufaktur und erste Brauerei-Neugründung seit Jahrzehnten in der bayerischen LandeshauptstadtDie Giesinger-Truppe braut neben klassischen, aber modern interpretierten Sorten wie Weißbier, Pils und Helles auch fruchtiges Triple, schokoladiges Stout, kräftiges Doppel-Alt und röstiges Porter. Durch die Finanzierung eines Crowdfunding-Projektes realisiert Marx nun einen zweiten Standort im Norden der Stadt. 

CREW Republic als Erfolgsbeispiel der bayrischen Craft-Bier-Szene

Ein weiteres Erfolgsbeispiel der bayrischen Craft-Szene liegt im Norden von München. Dort glänzen seit mittlerweile drei Jahren die Braukessel der CREW Republic. Durch die Beteiligung des weltweit größten Hopfendienstleisters Barth-Haas in Nürnberg, konnten sich die Crew-Chefs Timm Schnigula und Mario Hanel ihren Traum der eigenen Produktionsstätte mit angeschlossenem Tap-Room verwirklichen. Einst tingelten die Quereinsteiger, nachdem sie ihre Unternehmensberaterjobs an den Nagel hängten, als Gypsy-Brauer durchs Land und versuchten mühsam ihre Biere in Münchner Bars zu etablieren. Heute gibt es kaum eine Szene-Kneipe, in der die Biere der Crew nicht vertreten sind. Zu ihrem Standardsortiment gehören neben hopfigen Leichtbier „Easy“, fruchtige India Pale Ale (IPA) namens „Drunken Sailor“, „Escalation“ und „In Your Face“ auch ein Imperial Stout namens „Roundhouse Kick“ sowie ein kräftiger Barley Wine mit 10,1 Prozent und dem Namen „Rest in Peace“.   

CREW Republic Biere

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Tradition trifft Moderne

Doch nicht alle Münchner Brauer setzen auf solch wuchtige Alkoholbomben. Tilman Ludwig, Chef von Tilmans Biere, startet vor vier Jahren mit einem 5,1-prozentigen, bayerischen Hellen, dem er aber mit amerikanischen Chinook-Hopfen einen besonderen Kick schenkte. Zwar führt er auch ein Pale Ale im Sortiment, aber grundsätzlich setzt er auf traditionelle Sorten wie Dunkles oder Weizen und haucht diesen Stilen einen kreativen Charakter ein. Ähnlich gehen auch die Macher der Munich Brew Mafia vor, die zu einem Geheimtipp in der Münchner Szene avancierten. Als Topseller führt das Team um Dario Stieren ein vierfachgehopftes Pils mit der Sorte Citra im Sortiment. Hingegen punktet das noch frischgebackene Start-up-Team von Isarkindl mit einem modernen Märzen und das Team von Broy Bier füllt ihr Helles sogar in Dosen. 

Mit solchen Bieren wollen die jungen Macher nach der Devise „Tradition trifft Moderne“ eingefleischte Biertrinker zu modernen Bierstilen bewegen. Dass diese Strategie in München funktioniert, beweist auch Marc Gallo von Hopfmeister. Der ausgebildet Designer holte sich einen Diplom-Braumeister mit an Bord, der neben dem Pale Ale „Surfers Ale“, dem India Pale Ale „Irish Road Trip“, dem Stout „Brazilian Road Trip“ und dem hopfigen Lager „Franz Josef“ jetzt auch zwei neue Helle braut. „Der Helle“ ist etwas herber und als bayerische Antwort auf ein Pils zu verstehen, während „Die Helle“ eher ein rundes, malziges und leicht beeriges Pendant darstellt.  

Noch mehr aus der Münchner Bierszene

Wer durch die Münchner Bierszene pilgert, dem begegnen auch Namen wie Wolfscraft, Hopfenhäcker, Amperbräu oder Isar Bier, die mit modernen Spezialitätenbieren den Markt aufrütteln. Kein Wunder, dass die Erfolge des Braunachwuchses inzwischen auch das Interesse der traditionellen Großbrauereien wecken. So zaubert etwa ein kleines Team von Paulaner in kleiner handwerklicher Produktionsstätte, der „Brauerei im Eiswerk“, genussvolle Bierspezialitäten, die sich auch durchaus sehen lassen können. Darunter beispielsweise ein Imperial Barrique Stout mit 11,2 Prozent oder einen 22-prozentigen Eisbock, der im Aroma eher an einen Cognac erinnert. Auch Hofbräu experimentierte unlängst mit handwerklicher Attitüde an einer untergärigen Spezialität mit amerikanischen Hopfensorten. 

Münchner Brauereien im Speckgürtel

Wer sich im sogenannten Speckgürtel der Stadt umsieht, der findet eine weitere Bereicherung der Münchner Craft-Bierszene. So etwa die 2013 gegründete Produktionsstätte von Braukraft, die in Gilching am nord-westlichen Stadtrand residiert. Auch hier entstehen kreative IPAs, röstige Porter oder ein Cream Ale, das als neuestes Produkt gerade auf den Markt kam. Im Süden der Stadt, in Richtung Tegernsee, hat Markus Hoppe von Hoppebräu seine eigene Brauerei im oberbayrischen Vorzeigedorf Waakirchen gebaut. Bekannt ist der Jungbrauer durch seine Wuid-Serie, in der die Biere bayerische Namen wie „Wuidsau“, „Wuide Hehna“, „Wuida Hund“ oder „Fuchsteufelswuid“ tragen. Das sind Sorten wie Session IPA, IPA, Double IPA und hopfiges Lager. Einmal im Jahr zaubert Hoppe auch ein Imperial Stout, das er in Whisky- oder Sherryfässern reifen lässt. Außerdem setzt er, wie viele seiner Mitstreiter, auch auf traditionelles Weißbier und Helles. Das hat auch einen einfachen Grund: „Helles und Weißbier“, verrät Hoppe, „sind hierzulande nun mal die besten Türöffner in die Gastronomie.“