von Mareike Hasenbeck
Biersommelière und Bierjournalistin bei Feiner Hopfen
05 Oktober 2019
Sudzauberei mit Hefekulturen
Einer der am meisten unterschätzten Rohstoffe im Bier ist die Hefe. Sie zaubert jedoch nicht nur Alkohol in den Sud, sondern auch fruchtige und animalische Aromen. Nach vielen Hopfen- und Malzexperimenten entdecken Craft-Brauer gerade das Spiel mit speziellen Mikroorganismen.
Hefe: Des Brauers Freund und Feind zugleich
Craft-Brauer wollen immer wieder etwas Neues entdecken. Nach zahlreichen Experimenten mit Hopfen- und Malzspezialitäten haben sie jetzt auch die Hefe im Visier.
Die vielseitigen Mikroorganismen produzieren schließlich nicht nur Alkohol, sondern auch eine feine Perlage und schenken den Suden – bei richtiger Verwendung - ganz individuelle Geschmäcker. Nicht selten bringen sie Aromen von Johannisbeere, Himbeere, Kirsche oder Aprikose ins Bier.
Bananenaromen im Weißbier? Das kommt von der Hefe!
Aber Brauer wissen auch, wie kompliziert das Experimentieren mit Hefe sein kann. Fabian Staudinger, gelernter Braumeister und Dozent an der Doemens Genussakademie in Gräfelfing bei München, bestätigt:
„Hefe ist wie eine Diva, zwei Tage gärt sie hervorragend, dann ändert sich minimal die Temperatur, sie verliert plötzlich ihre Lust und das Bier ist komplett versaut.“
Die 3 Arten der Hefe im Bier
Während Malz der Körper und Hopfen die Seele des Bieres ist, so ist die Hefe das Herz. Der Umgang mit den fleißigen Mikropilzen ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Hefe unterscheidet sich in drei elementar verschiedenen Arten.
- Untergärige Sorten (die Teilchen untergäriger Hefe verbinden sich nicht und sinken beim Gären auf den Boden - so entstehen untergärige Biersorten) etwa mögen es bei Gärung und Lagerung kühl. Sie arbeiten am besten bei fünf bis etwa 15 Grad und werden meist bei Pilsner, Helles oder Export, also bei Lagerbieren, eingesetzt.
- Obergärige Hefezellen (obergärige Hefe bildet beim Gären "Sprossenverände", sodass die Hefezellen sich verbinden und als Schaum an die Oberfläche steigen, so enstehen obergärige Biere) dagegen arbeiten bei wärmeren Temperaturen bis rund 25 Grad und geben Aroma ins Bier. Charakteristisch sind Weizenbiere mit ihren Bananen- oder Nelkennoten wie etwa von Weihenstephaner, der Sud von Hoppebräu oder die Sorten von Schneider Weisse.
- Bei der dritten Hefeart handelt es sich um wilde Mikroorganismen, die dem Bier nicht extra zugegeben werden, sondern aus der Umgebung in die Bierwürze fallen und dann die Gärung starten.
Hefe als wilde Mikroorganismen
Solche sogenannten spontanvergorenen Biere stammen überwiegend aus Belgien. Vor allem die alten Klostergemäuer dort sind ein geeignetes Zuhause für diese Hefen. Typische Vertreter mit spontanem Gärungsprozess sind beispielsweise Kriek, Lambic, Geuze oder Fruchtbier.
Bekannte Geuze und Lambic Biere: Mort Subite Geuze Lambic, Oude Geuze Boon und Rodenbach Grand Cru
Ein besonderes Bier dieser Kategorie ist etwa die „Oude Geuze“ aus der Brauerei Boon im belgischen Lembeek. Dabei handelt es sich um eine Cuvée aus den angeblich besten spontanvergorenen Lambics der Braustätte, die gern mehr als drei Jahre in Eichenfässern und danach noch in der Flasche weiter reifen.
Mikroorganismen als Biertrend
Inzwischen entdecken aber auch immer mehr Craft-Brauer verschiedene aromatische Arten der feinen Mikroorganismen für ihre Biere. Das Hefe-Interesse teilen auch engagierte Wissenschaftler, die mit neuen Kulturen experimentieren und so zu völlig neuen Geschmacksmustern kommen.
Hierzulande passiert das in den Hefe-Banken von Weihenstephan, bei Doemens in Gräfelfing bei München, in der Technischen Universität München sowie in der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin – alle mit rund 100 Stämmen im Portfolio. Dabei wird auch immer wichtiger, dass Hefestämme nicht nur nach dem klassischen Schema - untergärig, obergärig oder wild – eingeteilt werden, sondern sich individuell und sortentypisch einsetzen lassen.
Wenn Brauer ihre Hefen selber züchten
Manche Brauer scheuen sich nicht, ihre Hefestämme selbst zu züchten. Zu den hiesigen Hefe-Zauberern zählt vor allem die Biermanufaktur Riegele in Augsburg.
Riegele aus Augsburg: Über 150 Hefen
Braumeister Frank Müller experimentiert angeblich mit rund 160 verschiedenen Hefen, die dort in speziellen Kühlschränken lagern. Besonders spannend ist eine Kultur aus knapp 70 Ale-Hefesorten, die dem Kellerbier fruchtige Noten von Aprikose und Ananas verleihen. Müller beschreibt Bier als ein Puzzle aus 1000 Teilen. Zu den wichtigsten und anspruchsvollsten Stücken gehört für ihn dabei die Hefe.
Schneider Weisse: Tradition und Innovation
Solch eigene Mikroorganismen werden aber nicht nur bei Riegele gepflegt, auch die Traditionsbrauerei Schneider Weisse im bayerischen Kelheim ist im Rennen. Spezielle obergärige Hefearten für die Weißbier-Spezialitäten des Hauses schenken den Bieren eine besondere Vollmundigkeit und ein Aromabild, das den sortentypischen Bananengeschmack sogar noch intensiviert.
Brauen bei Schneider Weisse: Die obergärige Hefe sorgt für besondere Aromen
In aller Munde: Brettanomyces-Hefe
Ein ganz besonderes Aromaspektrum produziert auch die Brettanomyces-Hefe. Sie ist bekannt für animalische Noten, die an Pferdeschweiß oder Leder erinnern. Im Weinbereich gelten diese Noten als Fehlaroma.
Auch im Bier können sie sicherlich nicht jedermann begeistern, aber wer sich da einmal ran wagen möchte, der sollte mal das 6,9-prozentige Blond „Rebelse Strop“ aus der belgischen Traditionsbrauerei Roman im ostflanderischen Mater in Oudenaarde probieren. Neben dem animalischen Touch zeigt sich eine gewisse Säure, die von einer Fruchtnote untermauert wird und im Nachhall noch eine Hopfenbittere präsentiert - ein Trunk für wirklich engagierte Bier-Liebhaber.
Anmerkung von Beerwulf: Das wohl berühmteste Trappistenbier mit Brett-Hefe ist ürigens Orval.
Hast Du Dich schon mit Hefe im Bier auseinandergesetzt?
Lass Dich selbst auf die Wunderzutat Hefe im Bier ein und gestalte Dein Tasting. Was sollte dabei sein? Definitiv ein obergäriges Bier - am besten ein Weizenbier, um die Banenen- und Nelkenaromen zu erkunden; ein untergäriges Bier, zum Beispiel ein Pilsner (z.B. Welde No. 1), für den Vergleich; einige Lambic & Geuzes, die als Spezialitäten der Spontangärung gelten und auch ein Bier mit Brettanomyces-Hefe (z.B. Rebelse Strop oder Orval) gehört zur Erkundung der Hefevielfalt dazu. Wir sind gespannt auf Deinen Bericht!