In der heutigen Craft-Beer-Welt könnte man fast vergessen, wie besonders ein gewöhnliches Pilsner eigentlich ist. Es gibt so viele Geschmacksüberraschungen, dass neue Biere mit außergewöhnlichen Zusammenstellungen schon fast zur Gewohnheit geworden sind.

Pilsner wird hinsichtlich der Geschmacksintensivität von so ziemlich jeder anderen Biersorte übertroffen (Radler vielleicht außer Acht gelassen). Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine bewundernswerte Biersorte ist. Einst war Pilsner so eine revolutionäre Entdeckung wie es heute ein holztragendes, mit Vanille und Kurkuma angereichtes Tripel Russian Imperial Stout ist.  

Bürgermeister sucht Braumeister

Bis 1842 waren die meisten Biere dunkel gefärbt, sie waren äußerlich überhaupt nicht attraktiv und sahen eher aus wie Schlammwasser. Ein paar Jahre zuvor präsentierte Anton Dreher in Wien das „Wiener Lager“, ein untergäriges Getränk, das zwar hell, aber doch eher bernsteinfarbig war.

Und dann kam Josef Groll aus Bayern, der vom Bürgermeister der Stadt Pilsen gebeten wurde, die Stadtbrauerei zu leiten und „ein schönes, trinkbares Bier" zu brauen. Sein Vorgänger war alles andere als erfolgreich. Sein Bier wurde in den Fluss geworfen und er selbst übrigens auch.

Das erste Pilsner: Pilsner Urquell

Josef Groll kombinierte sein Wissen über das untergärige Brauen mit lokal angebauter Gerste, die auf revolutionäre Weise getrocknet wurde – nicht mehr über dem offenen Feuer, sondern über erhitzter Kohle. Das Ergebnis war helles Malz. Das letzte fehlende Puzzlestück war schließlich das lokale Wasser, denn es erwies sich als superweich, enthielt also praktisch keine Mineralien. Als Groll das erste Gebräu, nachdem es mehr als drei Monate in einer kühlen Höhle gelagert war, den Bürgern von Pilsen präsentierte, war die Begeisterung groß. Das Pilsner Urquell war geboren!

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Der Aufschwung vom Pilsner

Es war das erste Mal, dass ein goldenes Bier auf den Markt kam. Das Pilsner war klar wie frisches Flusswasser und hatte eine Krone weiß wie Schnee. Der Geschmack war delikat mit knisterndem Kohlendioxid, knuspriger Hopfenbitterkeit und einer weichen, malzigen Süße, die das Ganze verband.

Bald verbreitete sich die Nachricht in ganz Europa. In der gleichen Zeit wurde ein Eisenbahnnetz gebaut und Güter konnten blitzschnell transportiert werden. Das Pilsner Bier begann mit einem behutsamen Aufstieg, der bald zur Flutwelle wurde: Überall wollten die Leute dieses neue Bier probieren und schrien schon bald nach mehr. Endlich gab es ein Bier, das klar, erfrischend und stets geschmackvoll war. Der Geschmack war weder intensiv noch überwältigend und der Verbraucher wollte das auch gar nicht. Pilsner tat das, wofür es gedacht war: auf geschmackvolle Weise erfrischen. Und das macht es auch heute noch.

Erfrischendes Pilsner: Keine Fehler erlaubt

Viele Bierliebhaber sind sich nicht bewusst, dass ein Brauer, der untergärige Biere wie Pilsner braut, sich keine Fehler leisten darf. Denn das spiegelt sich zwangsläufig im Endergebnis wider und kann nicht mehr korrigiert werden. Es unterscheidet sich dadurch grundlegend von der Obergärung, bei der Fehler noch ausbalanciert werden können. Ein Pilsner muss auf Anhieb gut sein, sonst kann man das Gebräu wegwerfen.

So frisch wie möglich, gut gekühlt und ohne Protz. Pilsner schmecken einfach gut und tun das, wofür sie bestimmt sind: Sie erfrischen. Genießen kann so einfach sein und genau das macht es eigentlich wieder zu etwas ganz Besonderem.